Südletter November 2020

Warum wir Pflegefachleute in der Grundversorgung einsetzen

Ein vielversprechendes Modell für Hausarztpraxen

Das Thema ist nicht neu. Bereits vor 20 Jahren schlug das Regionalspital Biel den Hausärztinnen vor, für Langzeitpatienten - beispielsweise Menschen mit einer Herzinsuffizienz -  am Spital eine Herz-Sprechstunde durch Pflegefachpersonen anzubieten. In enger Zusammenarbeit und Absprache mit den Ärztinnen wären diese Patienten auch über einen längeren Zeitraum eng und kontinuierlich betreut. Die Hausärzte befürchteten jedoch, dass sie ihre Patientinnen an das Spital verlieren könnten. Daniel Flach, damals noch junger Hausarzt in Biel, teilte diese Befürchtung zwar, sah in dem Einsatz von Pflegefachpersonal in der Grundversorgung jedoch eine grosse Chance sowohl für Patienten als auch für Ärztinnen. Er fragte sich ganz schlicht, weshalb die Hausärzte denn nicht eine eigene «Herz-Sprechstunde» mit Pflegefachpersonen aufbauen?
 
«Ich verfolgte den Ansatz der Integration von Pflegefachpersonen in die Grundversorgung auch wissenschaftlich weiter und war immer mehr davon überzeugt, mit dem Einsatz von Nurse Practitioner ein zukunftsfähiges Modell auch für die Grundversorgung in Arztpraxen gefunden zu haben», erklärt Daniel Flach, Gründer und Leiter von Südland.

 

Christine Teuscher
Matura, Studium der Pflege an der Berner Fachhochschule, mehrjährige Erfahrung in Pädiatrie und Kinderchirurgie, berufsbegleitendes Masterstudium Advanced Nurse Practitioner.

«Die Kombination unserer Erfahrung in Pflege, dem vertieften Wissen in Physiologie, Pathophysiologie und Pharmakologie sowie den erweiterten Kompetenzen in klinischer Untersuchung und Gesprächsführung bringt für Patienten einen relevanten Mehrwert. Und für die medizinische Versorgung der Patientinnen ist die sorgfältige Pflege dieser Schnittstelle ein grosser Gewinn in ihrer Betreuung. Diese Vielschichtigkeit ist für mich die Faszination an unserer Berufsrolle.»

 

Silvan Studer
Matura, Bachelor in Pflege, mehrjährige Erfahrung auf der Überwachungsstation Inselspital, Masterstudium Advanced Nurse Practitioner.

 «Ich sehe grosses Potential der Pflege in der Rolle der ANP in der Grundversorgung von chronisch kranken Patienten. Unsere Gesellschaft wird immer älter und mit erhöhtem Alter nimmt die Polymorbidität zu. Weil solche Patienten nicht nur medizinisch komplex sind, sondern auch pflegerisch und gegebenenfalls auch sozial grosse Herausforderungen mit sich bringen, müssen neue Wege in der Versorgung dieser Menschen begangen werden. Die Rolle der Nurse Practitioner verbindet die «Welten» Medizin und Pflege.»

«Ein vertrauensvoller Zugang zum Individuum und Kenntnisse auch über die soziale Einbettung und das familiäre Umfeld - dies ist für mich die Basis für eine bedürfnisorientierte und patientenzentrierte Betreuung.»

— Christine Teuscher, Nurse Practitioner bei Südland
 
 
GEWINN FÜR CHRONISCH KRANKE PATIENTEN

Grundsätzlich sind Pflegefachleute nicht nur für die Pflege am Krankenbett ausgebildet, erklärt Ursula Klopfstein, Ärztin bei Südland und Dozentin an der Fachhochschule für Pflege. Sie sehen, genau wie eine Ärztin, die Patienten in ihrem gesamten bio- und psychosozialen Kontext. So sind das rasche Erkennen und Erfassen von Ressourcen und Defiziten, die Einschätzung der Risiken und das Einleiten von Massnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Gesundheitszustands Aufgaben der Nurse Pracitioner. Es ist genau diese Gesamtsicht der Patientinnen, welche die Gemeinsamkeit zwischen Hausarzt und Nurse Practitioner darstellt.

Gerade für ältere Menschen oder chronisch kranke Patienten ist dieser Ansatz mit einem pflegerischen und einem klinischen Zugang wichtig. Eine kontinuierliche und je nach Bedarf engmaschige Betreuung durch Nurse Practitioner stellt für sie ein grosser Gewinn dar und bedeutet nicht selten eine starke Verbesserung der Lebensqualität.

 

 ENTLASTUNG FÜR DIE HAUSÄRZTE

Rund 50% der Arbeiten an und für die Patientinnen könnte er in seiner Hausarztpraxis gut delegieren, schätzt Daniel Flach. Er ist denn auch überzeugt, dass wir in der Schweiz nicht zu wenig Hausärzte haben, aber dass sie einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit für Arbeiten einsetzen, die sie delegieren könnten. Insbesondere die regelmässigen Kontrollen bei Patienten mit chronischen Erkrankungen sind Aufgaben, die sinnvollerweise durch Nurse Practitioner übernommen werden sollten: Überwachen des Blutdrucks bei Patientinnen mit hohem Blutdruck, die Kontrolle des Blutzuckers bei Diabetikern, Stabilisieren des Gewichts bei Menschen mit Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten, die Einstellung der Tablettendosierung bei Patientinnen mit regelmässiger Medikamenteneinnahme zur Blutverdünnung, Haus- und Heimbesuche, um nur einige Beispiele zu nennen. Sind sogenannte «red flags» definiert, dann weiss der Nurse Practitioner, wann eine Kontrolle in der ärztlichen Sprechstunde angezeigt ist. Die Patientinnen wiederum erhalten die Gewissheit, dass sie, insbesondere wenn sie chronisch krank sind, sicher, gut und umfassend durch das Team Ärztinnen – Nurse Practitioner - Medizinische Praxisassistentinnen betreut sind.
 
 
«Nach wir vor hat es auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zu wenig Hausärzte. Es ist nun wirklich an der Zeit, dieses Modell der Zusammenarbeit in der Grundversorgung zu leben und ärztliche Arbeiten an NP zu delegieren.»

— Dr. med. Daniel Flach, Gründer und Leiter von Südland
 
 


ZEIT FÜR EINEN WANDEL

Arbeiten, wie jetzt bei Südland, Ärztinnen und NP zusammen unter einem Dach, können sie nicht nur Synergien nutzen und Abläufe effizient gestalten, sondern auch ihr jeweiliges Fachwissen aus Pflege und Medizin teilen und so die Patienten bedürfnisorientiert behandeln. Die Ärztinnen bekommen dann Kapazitäten frei für ihre eigentlichen ärztlichen Aufgaben, dem Diagnostizieren und Verordnen von Therapien.

Silvan Studer und Christine Teuscher arbeiten seit September 2020 in der Praxis Effinger. Sie übernehmen nicht nur die wöchentlichen Besuche in den von Südland betreuten Pflege- und Altersheimen, sondern führen mit den Ärztinnen auch jeweils Vormittags in der Praxis Coronatests durch.

Möchten Sie mehr über unser Modell Arzt – Nurse Practitioner wissen? Schauen Sie bei Südland vorbei, fragen Sie nach, wir nehmen uns gerne Zeit.

Herzliche Grüsse

Das Südland Team

 

 

 

 

Dr. med. Ursula Klopfstein
Arbeitet bei Südland mit einem Teilzeitpensum als Ärztin und ist verantwortlich für das Ressort Bildung. Neben ihrer klinischen Tätigkeit ist sie langjährige Dozentin im Masterstudiengang an der Berner Fachhochschule für Pflege. Im Sommer 2021 schliesst an der Berner Fachhochschule der erste Jahrgang von Nurse Practitioner ab.

Mehr Informationen zum Studiengang Master of Science Pflege: www.bfh.ch 

 

Nurse Pracitioner – Pflegefachpersonen mit Masterabschluss

Nurse Practitioner sind eine neue Berufsgruppe nach dem Vorbild der Gesundheitssysteme in den USA, Kanada und Australien sowie einigen Nordeuropäischen Ländern. Sie sind tertiär, auf Masterniveau ausgebildete Pflegefachpersonen, die in der Grundversorgung, auf Notfallstationen, in Langzeiteinrichtungen oder der spitalexternen Gesundheitsversorgung die Ärzteschaft in der Behandlung zum Beispiel von chronisch kranken Patienten unterstützen und/oder ergänzen. Sie bringen fundierte Pflegekompetenzen mit und verbinden diese mit den im Studium und in den Praktika erlernten und trainierten klinischen Fähigkeiten. Das heisst, sie können eine gesundheitliche Situation mit gängigen Untersuchungstechniken abklären, daraus Dringlichkeiten und Diagnosen ableiten und in Delegation durch eine ärztliche Fachperson einen Behandlungsplan erstellen.